WAS SIND TULPA?

Im 19. Jahrhundert brachte die französische Forscherin und Theosophin Alexandra David-Néel der westlichen Welt die tibetanische Kultur und den Buddhismus näher. Dazu gehörte auch das Konzept mittels reiner Willenskraft erzeugter Manifestationen (manomāyakāya), das Anfang des 20. Jahrhunderts von ihr und ihren Theosophen-KollegInnen unter den Begriffen "Thoughtform" und "Tulpa" (tibetisch für "Emanation" oder "Erscheinung") weitergedacht wurde. Alexandra David-Néel soll später eigene Erfahrungen mit derlei Erscheinungen gemacht haben. Unter anderem behauptete sie, ein von ihr geschaffener Tulpa hätte die Gestalt eines Mönchs im Stil von Robin Hood's Bruder Tuck angenommen, dass sie Kontrolle über ihn verloren hätte und ihn daraufhin "zerstören" musste. Sie gab allerdings zu, dass es sich auch um eine Halluzination gehandelt haben könnte.
Nachdem fast 100 Jahre kein Hahn mehr danach krähte, feierte das Konzept der Tulpa im Jahr 2009 ein unerwartetes Comeback im Internet, genauer: In Communities wie 4chan und Reddit, wo es zunehmend synonym mit der Idee verknüpft wurde mittels Gedankenkraft eine Art Imaginären Freund zu erschaffen, der ein Eigenleben entwickelt - etwas vor dem sich Alexandra David-Néel noch gefürchtet hatte. Mitglieder der Szene nannten sich "Tulpamancer" und es wurden - ähnlich wie bei Meditationstechniken und Luziden Träumen - Tipps und Tricks ausgetauscht wie man sich selbst einen Tulpa erschaffen könne. Die Bewegung gewann durch die Einbindung der My Little Pony-Fangemeinde, die nur allzu gerne ihre eigenen Pony-Tulpa erschaffen wollte, enorm an Popularität.
Eine Frage die häufig gestellt wird lautet, ob Menschen die ihre Tulpas tatsächlich sehen können an einer psychischen Störung leiden. Nun, obwohl das Phänomen schon seit vielen Jahren die Runde macht scheint es noch relativ wenig erforscht zu sein. Einerseits da es von der Fachwelt nicht ernst genug genommen wird, um sich damit zu beschäftigen, andererseits weil es den Anschein macht, als würde es den Menschen eher helfen als schaden. Trotzdem haben Tulpamancer mit dem Stigma zu kämpfen von einer angeblichen Dissoziativen Identitätsstörung oder gar Schizophrenie betroffen zu sein. Eine Umfrage bei 203 Tulpamancern ergab zwar, dass manche an vergleichbaren Störungen leiden, davon aber nur 6 % eine Persönlichkeitsstörung, 7 % eine Bipolaren Störung und 9% PTSD aufwiesen. Wohingegen 21 % Autisten waren, 28 % ADHS, 44 % Angststörungen und 59 % Depressionen aufwiesen.
Eine weitere Umfrage des interdisziplinären Anthropologen und Kognitionswissenschafters Dr. Samuel Veissière ergab auch eine hohe Zahl an ADHS-Patienten und Autisten unter den Getesteten. 93.7 % der Befragten mit einer psychischen Störung gaben an, dass ihnen ihre Tulpa helfen mit ihrer Erkrankung klar zu kommen und ihre Sinneswahrnehmung zu erweitern. Passionierte Tulpamancer legen Wert darauf klarzustellen, dass Tulpa lebenslange Begleiter sind, die man nicht einfach mal schnell zum Spaß zusammenbastelt. Sie benötigen, wie alle Lebewesen, eine gewisse Zuwendung und Aufmerksamkeit. Insbesondere da sie von Dritten nicht wahrgenommen werden können. Es liegt auf der Hand, dass hierbei Laborsituationen geschaffen werden, die enorm zur Steigerung des Selbstwerts und Verbesserung sozialer Skills beitragen, ohne sich allzu überfordernd auszuwirken - immerhin kommen die Tulpa aus einem selbst und sind nicht an Bedürfnisse einer materiellen Welt gebunden.
Zudem kann sich hier Kreativität in einer Form ausbilden, von der manche Künstlerinnen und Künstler nur träumen: Tulpa können jede nur erdenkliche Gestalt annehmen und Charakter ausbilden, die ihre Schöpfer ergänzen, ohne sie allzu sehr zu vereinnahmen. Zumindest in der Theorie! Es ist klar, dass wir noch viel zu wenig über dieses Phänomen wissen und uns genau überlegen sollten, ob wir uns auf dieses Experiment einlassen wollen. Wir raten jedem der Interesse an der Erschaffung seines eigenen Tulpas hat sich erst auf etwaige psychische Vorerkrankungen untersuchen zu lassen. Nicht des Stigmas wegen, sondern um möglichen Komplikationen auf dem Weg vorzubeugen. Was den Rest betrifft, hier eine Playlist zum Thema...
#FEEDBACK

Der Text von "Nóttin talar" (Die Nacht spricht) drückt tiefe Traurigkeit und den Wunsch aus, in die Vergangenheit zurückzukehren. Bilder wie ein versteckter Pfad und ein grauer Spiegel deuten auf eine Innenschau und den Wunsch hin, zur Vergangenheit zurückzukehren. Der Sänger spricht von Erinnerungen, die wie Glut brennen, und unausgesprochenen Worten, und fragt sich, ob Antworten in einer anderen Zeit existieren. Es gibt ein starkes Gefühl der Schuld und den Wunsch, vergangene Fehler ungeschehen zu machen, wobei wiederholt darum gebeten wird, Í GEGNUM TÍMANN (durch die Zeit) zurückzukehren, um Dinge zu reparieren. Das Vergehen der Zeit wird durch fallende Tage und stille Tränen dargestellt, was hervorhebt, dass die Zeit nicht umgekehrt werden kann. Der Sänger träumt von einer zweiten Chance, präsent und liebevoll zu sein. Auch wenn eine Rückkehr unmöglich sein mag und der Schmerz persönlich ist, bleibt die Hoffnung, Dinge richtigzustellen. Das Musikvideo, das drei junge Männer beim Spaß zeigt, steht im Kontrast zu diesen traurigen Texten. Es scheint hervorzuheben, wie schnell die Jugend und diese unbeschwerten Zeiten vergehen und wie Handlungen in der Jugend später zu Bedauern führen können. Die Freude im Video repräsentiert eine Zeit, die nicht zurückgebracht werden kann, und die Texte deuten darauf hin, dass die jungen Männer eines Tages zurückblicken und sich wünschen könnten, sie hätten Dinge anders gemacht. Der Unterschied zwischen den fröhlichen Bildern und den traurigen Worten betont, wie die Zeit vergeht und wie unsere vergangenen Handlungen uns belasten können. Hier gibt es mehr Informationen zum Musikprojekt: https://www.kollektiv-magazin.com/ai-musikprojekt-dominion-protocol

Prof. Dr. Heinz Gärtner ist Politikwissenschaftler und Sicherheitsexperte mit Schwerpunkt internationale Beziehungen. Er lehrt an der Universität Wien und ist Senior Fellow am Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip). Gärtner beschäftigt sich in seiner Forschung mit Fragen der Neutralität, Sicherheits- und Friedenspolitik sowie den transatlantischen Beziehungen. Er hat zahlreiche Fachpublikationen veröffentlicht, ist regelmäßig als Experte in den Medien präsent und wirkt in internationalen Gremien zur Sicherheits- und Außenpolitik mit.