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REPORTAGE: ERFAHRUNGEN ALS JUNGAUTOR


Die Anfänge


Ich fing an Gedichte zu schreiben, als ich etwa 14 Jahre alt war. Was erfahrungsgemäß das Alter ist mit dem viele junge Autor*innen anfangen. Doch statt der obligaten Liebesgedichte schrieb ich lustige Verse, die man in ein Poesiealbum hätte stecken können. Sie erinnerten an eine Mischung aus Christian Morgenstern und Wilhelm Busch , nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass ich auf eine Waldorfschule ging und das richtig derbe Zeug noch nicht kannte. 


Meine Wahrnehmung von Lyrik änderte sich schlagartig, als ich im Jahr 2000 zum ersten Mal einer Lesung junger salzburger Autor*innen beiwohnte. Ich war verstört und gleichsam fasziniert, von den dunklen, emotionalen Abgründen die sich da auftaten. Geschichten über Menschen die sich mit Selbstmordgedanken plagten oder denen kafkaeske (dieses Wort kannte ich noch nicht) Dinge widerfuhren. Es gab auch witzige Texte, die unterhaltsam vorgetragen wurden. Aber mit einer sprachlichen Genauigkeit, einem Charme und treffsicheren Gespür für's Absurde, wie ich es zuvor noch nicht erlebt hatte. 


Ich habe später festgestellt, dass sich die meisten jugendlichen Dichter von so einem Kulturschock abschrecken lassen und von einem Tag auf den anderen aufhören zu schreiben. Sie haben viel Herzblut in ihre Gedichte gesteckt und sind dann natürlich enttäuscht, wenn ihnen vor Augen geführt wird, dass sie noch immer blutige Anfänger sind. Zu leicht hat man den Eindruck sich vorzeitig die Reputation ruiniert und jede Berechtigung sich literarisch betätigen zu dürfen, verloren zu haben. Aber das ist natürlich Quatsch!


Niemand, auch nicht der begnadetste Literaturnobelpreisträger, war von Anfang an perfekt. Im Gegenteil: Sie waren anfangs auch nicht viel besser, manchmal sogar schlechter als man selbst. Was sich allein schon daran zeigt, wenn man sie auf ihr Frühwerk anspricht und das Thema schneller gewechselt wird, als man Sirtaki tanzen kann. Was sie von normalsterblichen Wortaneinanderreihern abhebt, ist nicht angeborenes Talent, sondern das Resultat viel harter Arbeit, Geduld und der Bereitschaft auch mal auf die Schnauze zu fallen, wieder aufzustehen und aus den gemachten Fehlern zu lernen. Das klingt erstmal irrsinnig anstrengend. Aber meiner Erfahrung nach ist das alles halb so schlimm, wenn einem die Sache wirklich am Herzen liegt.   


Ich für meinen Teil ließ mich, wenn überhaupt, von dieser Lesung inspirieren weiterzumachen und an meiner Schreibe zu arbeiten, worin mich auch ein Gespräch mit dem Autor Robert Kleindienst bestärkte, der mich ermutigte zu experimentieren und endlich mit den Reimgedichten aufzuhören. (Letzteres ist mir nie ganz gelungen, denn ich schreibe sehr viel nach Gehör und da sind Reime einfach zu verführerisch!)


Und da haben wir es auch schon, eines der wichtigsten Elemente für einen aufstrebenden jungen Autor: Feedback. 




Die erste Lesung


Im Literaturbetrieb gibt es zwei Stimmen: Die Einen sind der Meinung, das Konzept "Lesung" sei überholt und im Anbetracht fehlender sprecherischer Qualitäten mancher Autor*innen sogar kontraproduktiv. Für die Anderen gehören Lesungen einfach zur Literatur wie das Amen in der Kirche. Aber nicht nur des Vortrags wegen! Sie sind eine willkommene Gelegenheit für Literaturbegeisterte, sich zu treffen und einen anregenden Abend zu verbringen. Über das Gehörte zu sprechen und gegebenenfalls ein paar neue Kontakte zu knüpfen, die sich noch als hilfreich oder zumindest interessant erweisen könnten.


Für die Autor*innen ist es aber vor allem ein guter Weg ihre Arbeiten einem größeren Publikum zugänglich zu machen und neues Material zu erproben. Junge Autor*innen bedürfen der Bühne vor allem der Übung und des Feedbacks wegen. Wer schreibt, läuft Gefahr einen Tunnelblick zu entwickeln, das eigene Werk durch eine rosarote Brille zu betrachten. Feedback, sowohl wie das Beobachten des Publikums während einer Lesung, sind ein hervorragendes Mittel zur Reflektion und kritischen Analyse. Wobei man als junger Künstler eine Sache im Auge behalten sollte: Negatives Feedback ist gutes Feedback! 


Jemand der sich die Zeit nimmt einem haarklein zu erklären, was ihm/ihr nicht an dem Text gefallen hat, tut dies für gewöhnlich nicht aus dem bloßen Verlangen heraus alles schlecht zu reden. Der Text wird immerhin als WERT genug empfunden einer näheren Analyse standzuhalten. Natürlich bedeutet das nicht, dass man sich alles gleich gefallen lassen und zu Herzen nehmen muss, zumal die Qualität der Kritiker leider stark variiert. Zwischen gutmeinenden Literatur-Connoisseuren die wirklich Ahnung haben und aufgeblasenen Dummschwätzern, die jede Gelegenheit nutzen sich aufzupudeln. Dazwischen: Die Elite. 


Jemand der sagt: "Das hat mir sehr gut gefallen!" streichelt das Ego zwar, aber langfristig gesehen hat man als Autor sehr wenig davon. Selbst wenn das Lob von jemandem wie Peter Handke oder Elfriede Jelinek kommen sollte. Nichts gegen die Beiden, aber was habe ich davon behaupten zu können, dass XY ein Gedicht von mir gefallen hat, das ich vor fünf Jahren schrieb? Ein Gedicht mit dem ich selbst mittlerweile garnichts mehr anfangen kann. "Das war doch Mist!" werde ich denken und mich fragen, ob sich XY nicht einfach lustig über mich gemacht haben könnte.


Als junger Autor hatte ich tatsächlich vergleichbare Gedanken, wenn mir jemand ein positives Feedback gab. Als hätte ich es "nötig" positives Feedback zu bekommen, weil ich in Wahrheit soooo schlecht war. Natürlich weiß ich, dass das Unsinn ist! Aber in dem Alter kommt man schon mal auf solche Selbstzweifel. Umso wichtiger ist es Freunde zu haben mit denen man auf Lesungen gehen kann.


Hier noch ein paar Tipps für junge Autor*innen, die kurz vor ihrer ersten Lesung stehen:


Lest keine Fließtexte die ihr irgendwann einmal zusammengeschustert habt, um "ins Schreiben zu kommen". Zumindest nicht in unbearbeiteter Form. Diese Texte sind erfahrungsgemäß sehr anstrengend zum anhören. Besser sind jene, an denen wirklich gearbeitet wurde, die man schon beim Schreiben mehrmals laut vor sich hin rezitiert hat, um sicher zu gehen, dass die Sätze auch sitzen. Meist ergibt sich daraus auch gleich die richtige Sprachmelodie, die beim Vortrag benötigt wird!


Schlimm sind auch Texte darüber, dass einem Nichts eingefallen ist, worüber man schreiben hätte könnte. Das wirkt zwar "meta", zählt aber schon zum Abgedroschensten das es gibt. Oder Texte in denen man sich über eine Stadt aufregt, die der Mehrheit der Anwesenden bekannt ist. Die Kritik mag noch so berechtigt sein, wenn's ans Jammern und Sudern geht wird Literatur schnell fad. Ich habe das schon oft gesagt und als Gegenargument wurde mir stets Thomas Bernhard an den Kopf geworfen, der für seinen Hass auf die Stadt Salzburg berühmt war. Ich persönlich mag ihn ja nicht so, aber immerhin war Thomas Bernhard ein Meister seines Fachs und die Städteverunglimpfung seinerzeit nichts das allzu inflationär in Gebrauch war, wie heute.


Das erste Buch


Bevor ich mit Publikationen anfange, hier noch eine kurze Abschweifung zum Thema Autor*innengruppen: Gerade für Jungautoren ist der Zusammenschluss mit Gleichgesinnten eine feine Sache. Einerseits weil man sich gegenseitig vorlesen und Feedback geben kann, andererseits weil sich unangenehme organisatorische Angelegenheiten in der Gruppe leichter bewältigen lassen. Gemeinsam kennt man auch mehr Leute, die bei dem einen oder anderen Projekt hilfreich sein können.


Ich habe persönlich sehr gute Erfahrungen mit Gruppen gemacht und einige meiner besten Freunde habe ich in solchen Zusammenschlüssen kennengelernt. Was mich heute eher abschreckt sind subventionierte Vereine, da bei ihnen das Organisatorische stark in den Vordergrund rückt, was dem Kreativen einen unangenehmen Dämpfer verpasst. Auf der anderen Seite haben Vereine bessere Ressourcen, sind steuerlich etwas flexibler und hervorragend vernetzt. 


Es gibt Literaturwerkstätten, Literaturhäuser und Lesezirkel noch und nöcher. Manche sind relativ offen und aufgeschlossen, manche ein bisschen elitär und aufgeblasen. Welche letztlich die Richtigen für einen selbst sind, muss man im Alleingang herausfinden. Auch was Wettbewerbe betrifft gehen die Meinungen auseinander. An sich gilt hier was ich bereits über Lesungen geschrieben habe, Wettbewerbe sind aber tatsächlich ein bisschen destruktiver, da sie unpersönlicher sind, stark von der Meinung einer Masse (Jury, Publikum) abhängig und beim Feedback nicht allzu sehr ins Detail gegangen wird.


Dabei heißt es noch lange nichts, wenn man verliert! Ich lernte meinen langjährigen Freund und Kollegen Marko Dinic  (siehe Foto 3) vor 10 Jahren bei einem Lesewettbewerb kennen, den wir beide verloren. Und das gegen jemanden, der gerade erst zu schreiben begonnen hatte. Einfach weil der Jury sein Vortrag besser gefallen hatte als unserer. Marko blieb davon unbeeindruckt, er arbeitete hart weiter an seinen Texten und schickte sie bei diversen Stellen ein. Heute ist er ein gefragter Autor und mehrfacher Stadtschreiber. 


Mit den richtigen Verbündeten tut man sich weitaus leichter ein Buch zu publizieren als im Alleingang. Meine ersten vier Bücher waren Anthologien, also Sammelbänder mit Texten verschiedener Autor*innen, weil ich etwas mehr selektieren wollte und man mit einem so breitgefächerten Werk auch Leute erreicht, die einen normalerweise nicht zur Hand nehmen würden. Wer genug schreibt, kann aber auch solo publizieren. Dann braucht man aber auch Partner auf die man sich voll und ganz verlassen kann. Die Lesereisen und Interviews organisieren, Plakate drucken, auf Buchmessen auf die Sache aufmerksam machen etc.


Was Lyrik betrifft durfte ich die Erfahrung machen, dass sich in Österreich kaum mal ein Verlag findet, der Lyrik von unbekannten jungen Autor*innen veröffentlicht. Einfach weil der Markt dafür zu schwach ist. In Deutschland hingegen boomt die Lyrikszene geradezu, nur muss man da auch mit Wartezeiten rechnen und sich bemühen auf sich aufmerksam zu machen. Romane sind ebenfalls schwierig, allerdings weniger vom Verlegen her als vom tatsächlichen Aufwand sie zu schreiben. Ein guter Roman bedeutet viel Zeit und Energie, die man auf der anderen Seite aber auch bräuchte, um Lesungen zu halten und auf sich aufmerksam zu machen. 


Der beste Mittelweg scheinen mir Prosa, Short stories, Kolumnen und die bereits erwähnten Anthologien. Hörspiele ließen sich auch hervorragend vertreiben, zumal es seit etlichen Jahren das Konzept der Netlabels gibt, die aus für mich unerfindlichen Gründen kaum Literatur feilbieten, obwohl das schon ein interessanter Markt wäre. Freie Radiostationen (oder Bürgerradios, wie man in Deutschland sagt) bieten auch Möglichkeiten die eigenen Werke einem breiteren Publikum zu präsentieren.

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